Um unsere Träume ranken sich unzählige Mythen und Theorien. Dem wollen wir heute auf den Grund gehen. Bevor wir uns aber den Theorien der Traumforschung widmen, stellt sich erstmal die Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir schlafen?
Die Schlaf-Basics
Wir verschlafen ungefähr 24 Jahre und 4 Monate unseres Lebens. Aber was genau läuft da ab? Wenn wir schlafen, durchlaufen wir verschiedene Phasen, die einen Zyklus bilden. Ungefähr 4- bis 7-mal wiederholt sich dieser Zyklus bei einem erwachsenen Menschen. Dabei wird zwischen den non-REM und den REM-Phasen unterschieden. REM steht für „rapid eye movement“ (deutsch: schnelle Augenbewegung). Genau das ist nämlich charakteristisch für die REM-Phase: Unsere Muskeln sind komplett gelähmt, während sich die Augen schnell hin und her bewegen. Die non-REM Phase lässt sich in die Einschlaf-, Leichtschlaf- und Tiefschlafphase unterteilen. Die Tiefschlafphase ist dabei die erholsamste Schlafphase für Körper und Geist. Hier wachen wir nicht mehr so leicht auf und auch der Wecker kann mal überhört werden.
Kennst du das, wenn du völlig verwirrt aufwachst und nicht mehr weißt, wo oben und unten ist? Dann wurdest du aus deiner Tiefschlafphase geweckt. Dabei ist es übrigens – entgegen dem Mythos – völlig egal, ob unsere Tiefschlafphasen vor oder nach Mitternacht stattfinden.
Und wann träumen wir?
Träumen tun wir zwar in allen Schlafphasen, aber in der REM-Phase sind unsere Träume am häufigsten und lebendigsten. Warum wir schlafen, mag ja noch naheliegen: Nach einem anstrengenden Tag brauchen Körper und Geist, Ruhe und Erholung. Aber Träume? Sind Träume nur eine Laune der Natur oder haben sie noch eine tiefere Bedeutung?
„Geben Sie mir 100 Träume und ich sag Ihnen wer sie sind“ sagt der Psychologe und Traumforscher Kelly Bulkeley. Das mag im ersten Moment ganz schön weit hergeholt klingen. Aber was ist dran? Wie viel sagen unsere Träume über uns aus?
Was erzählen uns unsere Träume?
Die Deutung von Träumen hat eine lange Geschichte. In vielen großen religiösen Schriften wird Träumen bereits eine große Bedeutung beigemessen. Auch der psychologischen Forschung gibt die Bedeutung von Träumen immer wieder Rätsel auf. Der wohl bekannteste Vertreter der Traumforschung ist der österreichische Arzt und Psychoanalytiker Sigmund Freud. Laut Freud werden in Träumen Wünsche der Träumenden verarbeitet. Dabei handelt es sich um Wünsche, die oftmals nicht gesellschaftskonform oder unbewusst sind. Freud zufolge werden die Träume zumeist mit Kindheitserlebnissen oder einem sexuellen Hintergrund in Verbindung gebracht. Diese Ansicht ist allerdings heutzutage sehr umstritten.
Und heute? Nicht viele Forscher beschäftigen sich aktuell mit Träumen. Das liegt daran, dass Traumforschung lange Zeit als unwissenschaftlich galt. Trotzdem ist die Forschung schon ein ganzes Stück weitergekommen. Eine neue Theorie von Michael Schredl und Kollegen wird als „Walking-dreaming-continuities“ (deutsch: Wach-Traum-Kontinuität) bezeichnet. Sie besagt, dass unsere Träume eng mit unserem bewussten Leben im Wachzustand, wie beispielsweise unseren Interessen, Vorlieben, Sorgen und Aktivitäten verbunden sind. Darauf deutet auch schon Einiges hin: Eine Forschungsgruppe entdeckte, dass Träume von Menschen, die viel Musik hören oder musizieren, eher Musik enthält und diejenigen, die komponieren, mehr von neuen Melodien träumen.
Beim Träumen verarbeiten wir die Erlebnisse des vergangenen Tages – stimmt das?
Dazu hat 2017 eine Forschungsgruppe um Raphael Vallat eine Studie durchgeführt. Die Teilnehmer:innen sollten eine Woche lang über ihre Träume der letzten Nacht berichten. Dabei kam heraus, dass tatsächlich 83% der Träume mit persönlichen Erfahrungen zusammenhingen und sich davon 40% am Tag zuvor ereigneten. Spannenderweise bewerteten die Teilnehmer:innen die in den Träumen auftretenden Ereignisse zwar als wichtig, allerdings nur bei länger zurückliegenden Ereignissen. Erlebnisse vom Vortag, die in den Träumen erschienen, waren eher belanglos und alltäglich.
Sigmund Freund war derselben Meinung. Auch er stellte fest, dass die Trauminhalte, welche sich auf den vorherigen Tag bezogen, eher unwichtig erschienen. Im Gegenzug dazu erschienen die länger zurückliegenden verarbeiteten Inhalte und Ereignisse von größerer emotionaler Bedeutung zu sein.
Kennst du das, mit dem Nachhall von einem etwas sonderbaren Traum aufzuwachen?
Möglicherweise dienen die seltsam anmutenden Träume, die wir manchmal haben, einem größeren Zweck: Eine neue These besagt, dass Träume dem Menschen im Sozialleben helfen sollen. Sie könnten einen anderen Blickwinkel zu emotionalen und sozialen Herausforderungen ermöglichen. Dafür spricht auch ein anderes Ergebnis der Traumforschung: Je behafteter ein Traum mit Emotionen ist, desto häufiger tritt er auf.
In unserer Zeit, die von einem sehr schnellen Lebenstempo geprägt ist, kann Schlaf schonmal auf der Strecke bleiben. Vor allem an den REM-Schlafphasen scheint es uns zu mangeln. Tatsächlich schlafen laut einer Studie des Meinungsforschungsinstitutes Emnid 80% der Deutschen zu wenig. Zusätzlich hemmt Alkohol die REM-Schlafphasen. Deswegen hat man nach einem Wein oder Bier häufig das Gefühl traumlos zu schlafen.
Ob wenig REM-Phasen tatsächlich schädlich für die Gesundheit sind, ist aber noch nicht ausreichend belegt. Es gibt aber Hinweise auf einen Zusammenhang von REM-Phasen und der Widerstandfähigkeit des Menschen Auch konnte ein Mangel an REM-Phasen mit Depressionen und körperlichen Auswirkungen wie erhöhter Schmerzempfindlichkeit und Gedächtnisproblemen in Verbindung gebracht werden.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Wissenschaft noch weit davon entfernt ist Träume zu deuten – dazu wäre noch jahrelange Forschung nötig. Trotzdem: Alles weist darauf hin, dass es den Horizont erweitern und neue Blickwinkel eröffnen kann, sich mit seinen Träumen zu beschäftigen. Vielleicht ist es also gar keine so schlechte Idee den Wecker einfach mal auszustellen und sich eine extra REM-Schlafphase zu gönnen. Wer weiß, vielleicht löst sich das nächste Problem ja einfach im Schlaf.