Toxische Positivität – Bis zu welchem Grad sind Optimismus und Positivität gesund?

Wir alle blicken gerne positiv in die Zukunft und versuchen in jeder Situation das „Gute“ zu sehen. Auch werden gerne Redewendungen wie „Kopf hoch“ oder „Krone richten und weiter geht’s“ in unserer Gesellschaft verwendet. Das verstärkt natürlich die zum Teil gezwungene Aufrechterhaltung einer dauerhaft positiven Stimmung. Bis zu einem gewissen Grad ist positives Denken auch sehr sinnvoll und erstrebenswert – doch ab wann wird eine stets positive Einstellung toxisch? Wann wäre es wichtig und gut, andere Gefühle zuzulassen und nach außen zu tragen?

Was ist toxische Positivität?

Eine positive Einstellung wird dann toxisch, also ungesund, wenn der Anspruch erhoben wird, in allen Lebenssituationen optimistisch zu sein und kein Raum mehr für negative Gefühle zugelassen wird. Eine positive Einstellung zum Leben ist, wie bereits erwähnt, oft sinnvoll und gut für unsere psychische Gesundheit. Allerdings besteht das Problem darin, dass das Leben nicht immer positiv ist. Deshalb geht die Überzeugung, dass man in allen schwierigen Situationen eine positive Einstellung beibehalten sollte, schnell in ein toxisches Muster über. Einfach formuliert: toxische Positivität verleugnet negative Gefühle und schafft eine fröhliche und oft falsche oder nicht authentische Fassade einer Person. Wir alle haben auch mal mit schmerzhaften und unangenehmen Emotionen und Situationen zu tun – diese werden zwar nicht gerne willkommen geheißen, allerdings ist es wichtig, diese wahrzunehmen und emotional zu verarbeiten. Deshalb sollten wir darüber ehrlich kommunizieren. Toxische Positivität allerdings, treibt das positive Denken so sehr auf die Spitze, dass   keine gesunde Verarbeitung von schwierigen Gefühlen stattfinden kann. Wie gelingt es uns also, eine gesunde Positivität zu verinnerlichen und den negativen Gefühlen genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie den positiven Gefühlen?

Der Weg zur gesunden Positivität (Alle Gefühle willkommen heißen)

Wenn wir den Fokus immer auf die Sonnenseite lenken, kann es passieren, dass wir andere Gefühle unterdrücken oder weglächeln. Wut, Traurigkeit und Zweifel sollten aber genauso ihre Berechtigung und Aufmerksamkeit bekommen wie Freude, Euphorie und Motivation. Wenn der Blick nur auf das Positive gelenkt wird, gleicht dieses Verhalten einer Vermeidungsstrategie von unangenehmen Gefühlen. Wir dürften mit einer dauerhaften positiven Haltung auch nie gegen etwas, sondern nur für etwas sein. Möglichkeiten von Veränderungen werden erstickt. Das soll im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass wir ab jetzt auf alles kritisch blicken und negativ durchs Leben spazieren sollen, sondern eher, dass wir damit aufhören, unablässig positiv zu sein, wenn wir es einfach nicht fühlen – denn das müssen wir auch nicht!

Die Gradwanderung

Positivität ist so lange gesund und gut für uns, wie wir bei der Realität bleiben und unsere Gefühle authentisch ausdrücken. Wer sich nämlich zwingt, immer positiv gestimmt zu sein und alles optimistisch zu sehen, macht sich unterbewusst Stress, wenn mal doch nicht alles glatt läuft. Und genau hier sind wir am springenden Punkt: Zwinge dich nicht, dieses Denken oder gar diese Fassade aufrecht zu erhalten. Es geht darum, die Balance zwischen einer positiven Lebenseinstellung und der zwanghaften Positivität zu finden – eine Gradwanderung, die jeder von uns gehen muss und ganz individuell gestaltet werden kann. Stelle dir die Frage: In welchen Situationen tut es dir gut, positiv zu denken und in welchen Situationen versteckst du dich hinter dieser Fassade?

Schlüssel zum „Erfolg“

Eine ausschließlich positive Einstellung und Perspektive verhindert den Blick auf die eigenen Lernfelder und Probleme. Damit nehmen wir uns gleichzeitig die Chancen für sinnvolle Veränderungen und Erfahrungen, an denen wir wachsen. Wir dürfen unserer Innenwelt mit Mut begegnen und lernen Situationen auszuhalten, für die wir nicht direkt eine Lösung parat haben. Lasse alle Gefühle wie eine Welle durch dich hindurchfließen, ohne dich von ihnen kontrollieren zu lassen. Wenn du das, was gerade da ist, willkommen heißt und lernst anzunehmen, kannst du den Blick ganz automatisch auf eine positive Zukunft richten, die es sich lohnt anzustreben!