Richtig Atmen – Atemübungen für mehr Entspannung

Der Atem markiert mit dem ersten Atemzug bei unserer Geburt den Anfang und mit dem letzten Atemzug bei unserem Tod das Ende unseres Lebens auf dieser Erde. Er hält uns am Leben und begleitet uns sowohl in stressigen als auch glücklichen Situationen. Eigentlich logisch, dass er ein wichtiges Instrument unseres Körpers ist. Um die wahre Bedeutung der Atmung sind sich allerdings nur wenige Menschen unserer Gesellschaft bewusst. Im heutigen Beitrag möchten wir etwas Licht ins Dunkle bringen. Inwiefern beeinflusst der Atem unseren Körper und mit welchen einfachen Atemübungen kannst du mehr Entspannung in deinen Alltag bringen?

Unser Atem als Steuerungselement

Der Atem ist das einfachste Mittel, um Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem zu nehmen. Die meisten Vorgänge in unserem Körper passieren automatisch. Das Herz schlägt, das Blut zirkuliert, die Organe tun ihren Dienst. Und ja, die Atmung an sich geschieht auch von selbst. Wir können allerdings – im Gegensatz zu den anderen Vorgänge – auch bewusst atmen. Und wenn wir das tun, können wir Einfluss auf unser gesamtes System nehmen. Mit einer entspannten und tiefen Atmung in den Bauch hinein kannst du deine Organe stimulieren und außerdem deinen Zellstoffwechsel, deine Durchblutung, deine Verdauung, dein Immunsystem und deine seelische Verfassung positiv beeinflussen.

Vor allem die Aktivität deines Herzens ist direkt beeinflussbar. Und die Arbeitsweise des Herzens wiederum beeinflusst alle anderen inneren Vorgänge im Körper. Ein wichtiges physiologisches Phänomen ist hierbei die Herzfrequenzvariabilität.

Herzfrequenzvariabilität – was ist denn das?

Bei der Herzfrequenzvariabilität (HRV) geht es um den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Wie viel Variabilität es bei diesen Abständen gibt, ist von vielen Faktoren abhängig, zum Beispiel von deiner Gesundheit und deinem Stresslevel.

Intuitiv würde man wahrscheinlich denken: Es ist gut, wenn der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen immer gleich ist. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Wie kommt das?

Unter Stress wird das sympathische Nervensystem aktiviert. Dieses ist dafür verantwortlich, den Körper in Handlungsbereitschaft zu versetzen – der ganze Körper fährt in den Angriff- oder Fluchtmodus. Überleg einmal selbst: Wenn du gestresst oder panisch bist, was passiert dann mit deinem Körper?

Ist die Stresssituation wieder vorbei, wird der Gegenspieler des Sympathikus aktiv: Der Parasympathikus. Bei Aktivierung des Sympathikus erhöht sich die Herzfrequenz, die Herzfrequenzvariabilität jedoch verringert sich. Bei Aktivierung des Parasympathikus dahingegen verringert sich die Herzfrequenz und die Herzfrequenzvariabilität erhöht sich wieder. Durch eine ruhige, bewusste Atmung kannst du also deine Herzfrequenzvariabilität erhöhen und dein vegetatives Nervensystem gezielt beruhigen. Spricht man von einer hohen Variabilität, ist das ein Zeichen für ein gesundes Herz und ein niedrigeres Stresslevel, weil sich die Herzschläge flexibler auf die äußeren Umstände anpassen können.

Atemübungen sorgen für Entspannung

Der große Vorteil von Entspannungsübungen mithilfe des eigenen Atems ist, dass du sie immer und überall machen kannst. Morgens in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit, beim Spazieren oder beim Kochen. Wir möchten dir nun ein paar Atemübungen vorstellen. Probiere diese gerne aus und finde für dich selbst heraus, welche am besten zu dir passen. Manchmal kommt es auch einfach auf die Situation an, welche sich am ehesten anbietet:

Bewusstes Atmen

Die simpelste Methode ist wohl das bewusste Atmen. Dabei geht es darum, den Atem einfach wahrzunehmen, so wie er natürlich kommt und geht. Er ist ein guter Anker, um ins Hier und Jetzt zu kommen. Falls es dir schwer fällt, dich auf deinen Atem zu konzentrieren, kann es helfen, deine Atemzüge zu zählen. So geht’s:

  • Du atmest entspannt durch die Nase ein und zählst „eins“, dann atmest du locker durch die Nase aus und zählst nochmal „eins“.
  • Bei der nächsten Einatmung zählst du „zwei“ und auch bei der Ausatmung wieder „zwei“. Das kann dir helfen, deinen Fokus besser zu lenken.
  • Fahre mit dem Zählen fort, bis du bei 11 angekommen bist und fange wieder von vorne an.
  • Wiederhole das Ganze so lange, wie es sich für dich gut anfühlt oder bis du dreimal bis 11 gezählt hast.

Bauchatmung

Hier geht es darum, ganz bewusst in den Bauch zu atmen. Wenn wir gestresst sind, tendieren wir dazu flach in den oberen Brustkorb zu atmen. Dem wirken wir mit der bewussten Bauchatmung entgegen. Indem du eine Hand auf deinen Bauch und eine Hand auf deinen Brustkorb legst, kannst du besser spüren, wohin dein Atem fließt. So geht’s:

  • Du atmest tief durch die Nase ein, lässt die Luft bis in deinen Bauch strömen und spürst wie sich die Bauchdecke hebt.
  • Dann lässt du den Atem durch den leicht geöffneten Mund ausströmen und spürst wie sich die Bauchdecke wieder senkt.
  • Wiederhole das Ganze 4 – 6 Mal in deinem eigenen Tempo.

4-7-8 Atmung

Mit dieser Atmung lässt du deine Ausatmung doppelt so lang werden wie deine Einatmung. Außerdem gibt es eine Pause zwischen der Ein- und Ausatmung. Beides hat einen beruhigenden Effekt auf dein Herz-Kreislauf-System. So geht’s:

  • Du atmest über 4 Zählzeiten/Sekunden durch die Nase ein.
  • Dann hältst du den Atem über 7 Zählzeiten/Sekunden an.
  • Dann lässt du den Atem durch den leicht geöffneten Mund über 8 Zählzeiten/Sekunden ausströmen.
  • Wiederhole das Ganze 4 – 6 Mal.

Box Atmung

Prinzip der Box Atmung ist es, sich ein Quadrat vorzustellen und mit jeder Atemveränderung an einer Seite dieses Quadrates oder dieser Box entlangzuwandern. So geht’s:

  • Du atmest 4 Zählzeiten/Sekunden lang ein und stellst dir vor, wie du die obere Seite des Quadrates „entlangatmest“.
  • 4 Zählzeiten/Sekunden lang die Luft halten (nächste Seite des Quadrates).
  • 4 Zählzeiten/Sekunden lang ausatmen (untere Seite des Quadrates).
  • 4 Zählzeiten/Sekunden lang Luft halten (letzte Seite des Quadrates).
  • Wiederhole das Ganze 4 – 6 Mal.